Freitag, 19. Oktober 2012

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: Generelles Verbot der Präimplantationsdiagnostik menschenrechtswidrig

Das Verbot der Präimplantationsdiagnostik sei ein unverhältnismäßiger Eingriff in den durch Art. 8 Menschenrechtskonvention (Achtung des Privat-und Familienlebens)geschützten Bereich. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte erhielt sogar in den USA ungewöhnliche Aufmerksamkeit: Die Bibliothek des US-Kongress hat das Urteil in ihrem Law-Web publiziert. 

Im Urteil Costa und Pavan gg. Italien vom 28.8.2012 äußerte sich der EGMR erstmals zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik. Die Entscheidung ist auch für Österreich interessant, ist die Rechtslage in Österreich doch in wesentlichen Punkten mit der italienischen vergleichbar, die der EGMR für konventionswidrig erklärte.

Das beschwerdeführende Paar hatte bereits eine an der Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose leidende Tochter. Nachdem bei einer weiteren Schwangerschaft festgestellt wurde, dass der Fötus ebenfalls an dieser Krankheit litt, entschieden sich die Eltern zu einer Abtreibung. Um ihren Wunsch nach einem gesunden Kind zu erfüllen, wollten sie eine In vitro Fertilisation (IVF) vornehmen lassen, bei der vor der Einpflanzung des Embryos festgestellt werden könnte, ob das Kind ebenfalls an der Stoffwechselerkrankung leiden würde. So könnte sichergestellt werden, dass nur ein gesunder Embryo eingepflanzt würde.

Nach italienischem Recht steht eine IVF allerdings nur sterilen Paaren zur Verfügung, die Präimplantationsdiagnostik ist gänzlich verboten. Den Beschwerdeführern bliebe daher keine andere Wahl, als eine Schwangerschaft auf natürlichem Wege herbeizuführen und wiederum eine Abtreibung vornehmen zu lassen, sollte sich im Wege der Pränataldiagnostik herausstellen, dass die Stoffwechselerkrankung wieder auf das Kind übertragen wurde.

Genau darin lag für den EGMR der Grund für die Feststellung einer Konventionsverletzung: Wenn der Gesetzgeber die Abtreibung im Fall einer derartigen Erkrankung gestattet, ist nicht einzusehen, warum der weniger beschwerliche Weg der medizinisch unterstützten Fortpflanzung unter Inanspruchnahme der Präimplantations­diagnostik verwehrt wird.

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