Die bekannte und engagierte österreichische Journalistin Susanne Scholl - mit ihrem neuesten Buch "Allein zu Hause" auf der Bestsellerliste - hat einen offenen Brief an die "Europäische Union" gerichtet, in dem sie die Europäischen Institutionen auffordert, wieder zum "Friedensporjekt Europa" zurückzukehren. Ein beachtenswertes Dokument allemal. Aber noch wichtiger: Ein unterstützenswertes!
Offener Brief nach Brüssel - bitte um Kommentare, Anregungen, Einhaltung vorheriger Hilfszusagen
Wien, Juni 2011-06-13
Offener Brief an die Mitglieder der EU-Kommission und die EU-Parlamentarier
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bin Bürgerin dieses Europas – der Europäischen Union also. Und als solche wende ich mich an Sie.
Die Europäische Union, so wurde mir seit Jahrzehnten eingebläut, die Europäische Union ist ein Friedensprojekt. Die Europäische Union soll verhindern, dass sich je wieder europäische Staaten bekriegen, dass es je wieder zu Autoritarismus und Faschismus in Europa kommen kann.
Ich sehe mich um und stelle fest:
- Die Europäische Union baut so viele Mauern und Hindernisse wie möglich auf, um Menschen auf der Flucht abzuweisen. Jeder einzelne EU-Staat rettet sich ebenso hinter die verhängnisvolle Phrase vom Boot, das voll sei, wie die EU insgesamt. Die Europäische Union und jeder einzelne europäische Staat führen damit die von den politischen Eliten so gerne im Mund geführte Behauptung von der Achtung der Menschenrechte Tag für Tag ad absurdum.
- Die Europäische Union hat in ihren Reihen Staaten, die Tag ein Tag aus die Menschenrechte mit Füßen treten und Menschen nur auf Grund ihrer ethnischen Zugehörigkeit offen diskriminieren. In Ungarn wird öffentlich darüber nachgedacht, ob man nicht Arbeitslager für Roma und Sinti errichten soll. Der ungarische Antisemitismus ist salonfähig geworden. In der Slowakei baut man Mauern gegen Roma und Sinti und Frankreich weist europäische Bürger aus, weil sie dieser ethnischen Minderheit angehören. Auch hier ist nichts von der Achtung der Menschenrechte zu bemerken.
- Griechenland wird gerade gemeinsam in den Ruin getrieben. Nicht nur lässt man sogenannte Rating-Agenturen frei agieren, man diskutiert auch laut darüber, ob man die „faulen“ Griechen überhaupt noch unterstützen soll.
- Die Europäische Union – also ihre Institutionen, also Sie – sieht zu, wie in Ungarn offen faschistische Tendenzen unwidersprochen an Boden gewinnen können, wie in Griechenland auf Grund der verheerenden Wirtschaftspolitik rechtsradikales Gedankengut an Gewicht gewinnt.
Ich fordere Sie, die Vertreter dieser Europäischen Union, auf, energisch gegen diese besorgniserregende Entwicklung in Europa aufzutreten. Ich fordere Sie auf, Ihre Augenbinde abzunehmen und genau hinzusehen, was in diesem Europa geschieht. Ich fordere Sie auf, den fatalen neuen politischen Tendenzen einen Riegel vorzuschieben.
Dr. Susanne Scholl
Journalistin und Autorin
Wien
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