Dienstag, 17. Juli 2012

Krise: Auswandern als europäisches Politikrezept

Die Zahl der australischen Beschäftigungs-Visa an irische Staatsbürger hat sich im Vergleich zum letzten Jahrzehnt verdreifacht.

Der im Juni 2012 veröffentlichte Quartalsbericht der Europäischen Kommission zeigt, dass die Mehrheit der Mitgliedstaaten eine steigende Arbeitslosigkeit verzeichnet. Besonders betroffen davon sind junge Menschen.

Der Bericht beleuchtet die Arbeitsmarktbeteiligung junger Menschen genauer und bestätigt, dass obwohl die Quote der Nichtbeteiligung am Arbeitsmarkt allgemein gefallen ist, die Beteiligung junger Menschen zurückging. Dieser Trend erklärt sich vor allem dadurch, dass junge Menschen länger in (Aus-)Bildung bleiben. Aber auch die Zahl derjenigen jungen Menschen, die weder in Bildung, Ausbildung oder in Beschäftigung sind (sog. NEET - Not in Employment, Education or Training), ist im Jahr 2011 weiter gestiegen: auf 12,9 Prozent der Bevölkerung im Alter von 15 bis 24 Jahren.

Mehr Frauen am Arbeitsmarkt. Immerhin als ein Lichtblick wird gefeiert, dass die Quote der Nichtbeteiligung am Arbeitsmarkt zuletzt gefallen ist. Dies ist vor allem einem deutlichen Anstieg der Beteiligung von Frauen zu verdanken.

Verlorene Jugend. Auf der anderen Seite ging die Beteiligung junger Menschen zurück. Dieser Trend ist vor allem dadurch erklärt, dass junge Menschen länger in (Aus-)Bildung bleiben. Aber auch die Zahl derjenigen jungen Menschen, die weder in Bildung, Ausbildung oder in Beschäftigung sind (sog. NEET - Not in Employment, Education or Training), ist im Jahr 2011 weiter gestiegen: auf 12,9 Prozent der Bevölkerung im Alter von 15 bis 24 Jahren, 2,0 Prozent höher als im Jahr 2008. In den Entwürfen der 2012er Länderspezifischen Empfehlungen wird den Mitgliedstaaten nahegelegt, sich auf die Stärkung der Arbeitsmarktbeteiligung unterrepräsentierter Gruppen zu konzentrieren: ältere Arbeitskräfte, Frauen, Jüngere, niedrig Qualifizierte und Einwanderer. Die Empfehlungen plädieren besonders für Maßnahmen zur verbesserten Beschäftigungsfähigkeit durch effiziente und maßgeschneiderte arbeitsmarktpolitische Maßnahmen; die Verbesserung des Übergangs vom Schul- zum Erwerbsleben durch eine Verringerung der Schulabbruchquoten; die Förderung der Ausbildung; das Verfügbarmachen bezahlbarer Betreuungssysteme; die Reduzierung der Steuerbelastung des Faktors Arbeit, damit die Arbeitskosten mit der Produktivitätsentwicklung im Einklang stehen. Die Kommission wird gegen Ende 2012 auch einen Vorschlag für eine Ratsempfehlung zur "Jugendgarantie" machen und Aktivierungsmaßnahmen für junge Menschen im Zusammenhang mit Jugendgarantie-Systemen fördern.

"Wirtschaftsflüchtlinge" als politisches Rezept. Wegen der hohen Arbeitslosigkeit in südeuropäischen Ländern ist die Zahl derjenigen Europäer, die in anderen Ländern leben und arbeiten möchten, deutlich gestiegen. Dies gilt vor allem für junge Menschen. Die jüngsten Zahlen bestätigen, dass die Arbeitsmobilität von Menschen aus diesen Ländern gestiegen ist - vor allem Deutschland ist das Ziel. Im Februar 2012 war die Anzahl der in Deutschland tätigen südeuropäischen Bürger im Vergleich zum Jahr zuvor um 22.000 gestiegen. Jedoch sind diese Ströme immer noch gering im Verhältnis zur Zahl der Arbeitslosen in südeuropäischen Ländern (8,7 Millionen im Jahr 2011). Wanderungen aus Osteuropa bleiben beachtlicher und sind ebenfalls gestiegen. Die Auswanderung von EU-Bürgern in nicht-EU Länder bleibt gering, obwohl sich für einige Länder neue Muster abzeichnen: die Zahl der australischen Beschäftigungs-Visa an irische Staatsbürger hat sich im Vergleich zum letzten Jahrzehnt verdreifacht.

Öffentliches Sparen - privates Verschulden. Die Zahl der Haushalte, die ihre Ersparnisse auflösen oder sich verschulden müssen, um laufende Ausgaben zu decken, ist zu Beginn des Jahres 2012 stark gestiegen. Der Anstieg bei den Haushalten mit finanziellen Notlagen betrifft insbesondere Haushalte mit niedrigen oder mittleren Einkommen, für welche die Situation schwieriger geworden ist. Besonders erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang ärmere Haushalte in Italien und Spanien, wo die Quote der Menschen in finanziellen Notlagen im Verlauf der zwölf Monate bis April von 16 Prozent auf 26 Prozent bzw. von 23 Prozent auf 33 Prozent gestiegen ist.

Die Lebensbedingungen der Europäer haben sich in einigen Mitgliedstaaten deutlich verschlechtert. Zwischen 2008 und 2010 ist Quote derjenigen, die Rechnungen nicht mehr bezahlen können, im EU-Durchschnitt um einen Prozentpunkt auf 9 Prozent gestiegen. In zehn Ländern betrug der Anstieg mehr als drei Prozentpunkte. Mehrere Länder verzeichnen einen deutlichen Anstieg der Zahl der Menschen, die sich eine Mahlzeit mit Fleisch (oder äquivalenten Proteinen) jeden zweiten Tag nicht leisten können. Dem vierteljährlichen Bericht zufolge sind Frauen von Entbehrungen stärker betroffen als Männer. Das Problem der Obdachlosigkeit ist in der EU ebenfalls gravierender geworden, da viele Menschen mit Arbeitslosigkeit und sinkenden Einkommen konfrontiert sind. Junge Leute und Menschen ausländischer Nationalität sind hiervon am meisten betroffen.

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Quartalsbericht über soziale Lage und Beschäftigungssituation in der EU, engl. pdf. (EU Employment and Social Situation I Quarterly Review - June 2012)

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Table of Contents
Executive summary 5
Introduction  9
Macroeconomic and employment context and outlook 9
Context 9
Outlook  11
Recent labour market and social trends  13
Employment  13
Unemployment  14
Long-term unemployment 15
Inactivity and discouragement 16
Youth 17
Other selected groups 20
Financial situation of households 22
Box 1: Active ageing  24
Underlying labour market and social developments  26
Employment patterns 26
Vacancies: jobs starters and leavers  28
Starting and leaving jobs 28
Vacancies and labour shortages 30
> Special Focus: Increased South-North mobility due to divergence of labour market conditions across EU countries? 31
Productivity, labour costs and hours worked 41
Social inclusion trends 43
> Special Focus: Homelessness 43
> Special Focus: Material deprivation on the rise  48
> Special Focus: Social protection expenditure  53
Impact of restructuring on employment 57
Sectoral trends  59
Box 2: Public sector and white jobs 62
Box 3: Monitoring of sectoral employment  65
Longer-term trends and segmentation in EU labour markets 67
EU labour market in the years to 2011 in international perspective 67
Trends in EU employment performance 68
Segmentation of the EU labour markets 76
Conclusion  80
Box 4: Segmentation and Flexicurity 82
Latest developments in selected Member States  84
Austria 84
Germany 85
Hungary  86
Ireland 86
Poland 88
Slovakia  89
Spain 90
Sweden  91
United Kingdom  92
Annex 1: Selected statistics 94
Annex 2: Selected research 104

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