Freitag, 30. März 2012

UNHCR-Grundsatzpapier zur europäischen Flüchtlingspolitik


Die Zunahme von Krisen und Konflikten hat 2011 grosse Flüchtlingsströme ausgelöst. Und die Situation dürfte sich in den kommenden Jahren kaum beruhigen. Zählte man vor 60 Jahren noch 2,1 Millionen Flüchtlinge, so sind es heute gegen 44 Millionen Menschen, die im Exil leben müssen.
"Ich erinnere daran, dass 80 Prozent aller Flüchtlinge von Entwicklungsländern aufgenommen werden. Nur 2 Prozent der 900'000 Personen, die aus Libyen geflüchtet sind, fanden Zuflucht in Europa. Es sind vor allem die Nachbarländer, insbesondere Tunesien, die sie aufgenommen haben, was einer ausserordentlichen Solidarität gleichkommt.(UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge, Antonio Guterres, swiss-info 29.3.12) 
Vorschläge der Kommission. Bei den gegenwärtigen Verhandlungen über die Vorschläge der Kommission zur Überarbeitung der bisherigen flüchtlingsrechtlichen Instrumente geht es darum, alle am europäischen Asylsystem beteiligten Staaten auf ein vergleichbares, hohes Schutzniveau zu führen. Voraussetzung für ein europäisches Asylsystem, in dem in allen beteiligten Staaten zu gleichen Bedingungen und bei gleichen Chancen ein Asylverfahren nach europäischen Maßstäben durchgeführt wird, sind klare und verbindliche Standards in allen Bereichen des Flüchtlingsrechts. Aufnahmebedingungen, materielle Kriterien für die Gewährung des internationalen Schutzes und der zu gewährende Rechtsstatus und vor allem Verfahrensstandards mit den notwendigen Garantien für die schutzsuchenden Personen müssen auf eine Art und Weise geregelt werden, die geeignet ist, europaweit die Identifizierung der schutzbedürftigen Personen zu garantieren.
"Es existiert zur Zeit noch keine ganzheitliche europäische Asylpolitik. Wenn ein Afghane zum Beispiel in Europa Asyl beantragt, stehen seine Chancen, anerkannt zu werden, zwischen 8 und 91 Prozent – je nach Staat, in welchem er sein Gesuch deponiert." (UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge, Antonio Guterres, swiss-info 29.3.12)
Michael Lindenbauer, UNHCR-Vertreter für Deutschland und Österreich. Der NHCR unterstützt die derzeit verhandelten Reformvorschläge der EU-Kommission im Bereich Asyl und Flüchtlingsschutz, bei denen es im Kern darum geht, alle im europäischen Asylsystem beteiligten Staaten auf ein vergleichbares, hohes Schutzniveau zu führen. "Deutschland spielt eine Schlüsselrolle bei den Verhandlungen. Sein Leitmotiv sollte dabei sein, dem Schutzgedanken der Genfer Flüchtlingskonvention zu bestmöglicher Wirksamkeit in der Europäischen Union zu verhelfen", so Michael Lindenbauer, UNHCR-Vertreter für Deutschland und Österreich.

Das UNHCR-Grundsatzpapier bildet den Abschluss einer Reihe von Aktivitäten und Veranstaltungen zum  Thema "60 Jahre Genfer Flüchtlingskonvention". Es bescheinigt dem nationalen deutschen Asylsystem eine "positive Entwicklung"mit Blick auf "Wahrnehmung und Anwendung"der Genfer Flüchtlingskonvention, zum Beispiel bei der Anerkennung nichtstaatlicher Verfolgung. Gleichzeitig weist das Papier aber auch auf eine Reihe von Punkten hin, in denen "das deutsche Asylsystem verbesserungsfähig und -würdig"sei.

Dringenden Handlungsbedarf sieht UNHCR bei der Durchführung des sogenannten Dublin-Verfahrens in Deutschland, in dem entschieden wird, welches Land für die Prüfung eines Asylantrages zuständig ist. So sei es notwendig, von der bisher geltenden Gesetzeslage abzurücken, nach dem ein einstweiliger Rechtsschutz gegen die Überstellung in ein anderes Land ausdrücklich ausgeschlossen sei. Auch aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergebe sich, dass ein Zugang zum einstweiligen Rechtsschutz vorhanden sein müsse.

Mit Blick auf die Situation unbegleiteter Minderjähriger spricht sich UNHCR erneut dafür aus, die verfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit von derzeit 16 auf 18 Jahre heraufzusetzen. Hierfür spreche die Verpflichtung zur vorrangigen Berücksichtigung des Kindeswohls. Grundsätzlich, so UNHCR, solle das Flughafenverfahren wie auch eine Zurückweisung an der Grenze nicht auf unbegleitete Minderjährige angewandt werden.

Ein zentrales Anliegen von UNHCR war es in den letzten Jahren, ein wichtiges Instrument des internationalen Flüchtlingsschutzes auch in Deutschland einzuführen. Ein entsprechender Beschluss wurde Freitag letzter Woche von der Innenministerkonferenz gefasst: Zukünftig wird Deutschland Aufnahmeplätze (zunächst 900 innerhalb von drei Jahren) zur Neuansiedlung besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge aus Erstzufluchtsländern und damit am globalen UNHCR-Resettlement Programm teilnehmen.
Lindenbauer: "Dies ist zum Abschluß von diesem Gedenkjahr ein wichtiger, konkreter Beitrag für den internationalen Flüchtlingsschutz: Flüchtlinge erhalten individuell eine dauerhafte Perspektive und deren Erstaufnahmeländer ein Zeichen der Solidarität".
Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, (bzw. Hochkommissär der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, englisch  United Nations High Commissioner for Refugees , UNHCR) ist ein persönliches Amt und eine Behörde der Vereinten Nationen (UN). Das Hochkommissariat ist mit dem Schutz von Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen fast weltweit beauftragt und ist auch im Bereich der humanitären Hilfe tätig. Das Flüchtlingskommissariat ist als Spezialorgan der Vereinten Nationen der Generalversammlung rechenschaftspflichtig. Es wurde am 14. Dezember 1950 von der Generalversammlung gegründet und nahm am 1. Januar 1951 seine Arbeit auf. Die Behörde ist Nachfolgeorganisation des vom Friedensnobelpreisträger und Polarforscher Fridtjof Nansen nach dem Ersten Weltkrieg gegründeten (und von ihm bis 1927 geleiteten) Flüchtlingskommissariats des Völkerbundes. Nach seinem Tod wurde das Office international Nansen pour les réfugiés errichtet.Das Hauptquartier des UNHCR liegt in Genf.

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